Die in wenigen Bereichen der Bildmitte erdig kolorierte Tusche- Arbeit zeigt einen abstrahierten Affenbrotbaum, auf dessen großem, vorgelagerten Platz sich eine Gruppe von Menschen versammelt hat. Den Vordergrund nehmen sechs sitzende afrikanische Menschen und eine rechts unten auf dem Rücken liegende Afrikanerin ein, mit denen eine stehende, europäische Frau spricht. Nur der Kopf der weißen Frau, deren Geschlecht der Künstler mittels des dezent aber unzweifelhaft im sehr weit und tief geschnittenen Kragen erkennbaren Busens darstellt, ragt aus dem unteren Bilddrittel knapp in das mittlere Drittel hinein. Den Schwerpunkt der Komposition bilden drei Felder in den Farben Umbra, Ocker und Orange, welche nahe der Mitte die unteren beiden Drittel der Gestaltung verbinden. Das Umbra erscheint beinahe als Spiegelbild des oberen Bereichs in Ocker, wobei Fye Jassey die Symmetrieachse voluminös ausgedehnt als afrikanische Mutter formt. Sie trägt auf dem Kopf ein Wassergefäß und auf dem Rücken ihren Säugling. Diese Gestalt wirkt im Zentrum deutlich abgetrennt und unabhängig von der Menschengruppe im Vordergrund. Sie drückt stolze Unabhängigkeit in der autonomen Bewältigung eines einfach strukturierten, aber anstrengenden Alltags aus, während die Leute im Vordergrund eine gesellschaftliche Vergnügung pflegen. Unverkennbar zeigt Fye Jassey an der linken, vorderen Bildecke ein tragbares Kassettenradio, dessen teleskopische Antenne die linke Kontur der orange gemalten Fläche bildet, auf dem Boden stehen.

Losgelöst von den in Tusche ausgeführten Details betrachtet ergeben die bunten Bereiche des Werks die erotische Rückenansicht eines menschlichen Torsos mit einer linken Pobacke dunkler Hautfarbe und einer hellen rechten Seite. Den Intimbereich dieser Ansicht verdeckt die Gestalt der eingeborenen Wasserträgerin. Der aus der Sicht des Torsos nach hinten gestreckte, rechte Oberschenkel in Ocker und Orange integriert sich unterhalb der herzförmigen Gesäßdarstellung völlig in den Kern des abstrahierten Baobabs. Deutlich treten im oberen Drittel des Gemäldes mehrere Augenpaare ohne weitere, erkennbare Gesichtszüge als Begrenzung des Baumstamms im Bereich der Krone hervor. Am rechten Bildrand begrenzen eine menschliche Nase und ein menschlicher Mund den Stamm, so dass der Eindruck entsteht, als blicke der Betrachter schräg von hinten auf einen Kopf. Aus diesem Blickwinkel wirkt der kolorierte Bildbereich wie der Hohlraum des hinten geöffneten Schädels. Wie eine Höhle, in der sich die Afrikanerin bewegt. Die vom Baum abzweigenden Äste am linken Rand umschlingen sich verspielt und ähneln zur Assoziation des Kopfes passend den Zöpfen einer Dread-Frisur. Dagegen nimmt der Ast am rechten, oberen Bildrand den Schwung des rechten, ockerfarbenen Oberschenkels auf, führt ihn als Hüftschwung fort und lässt ihn als Teil der Silhouette eines weiblichen Oberkörpers auslaufen.

Die Vermischung der Perspektiven und die für viele afrikanische Darstellungen typische Betonung des eigentlichen Bildhintergrundes als tragender Schwerpunkt der inneren Kernaussage des Werks erschaffen eine implizite Gegenüberstellung und Unterscheidung zwischen sichtbarer Welt und mystisch verborgener Seele des Geschehens. Der Baobab wird so zum Träger der Emotionen dieser kleinen Versammlung einer Dorfgemeinschaft auf dem Bantaba. Die Zusammenkunft führt zur Begegnung, aus der, beobachtet von Augen aus unerwarteten Richtungen her, erotische Gefühle hervorgehen, welche der Betrachter in den Baobab hinein projiziert. Damit stilisiert Fye Jassey den Baobab zu einem Freund aller Versammelten, welcher deren verborgene Wünsche, Visionen und Gefühle während der Begegnung aufnimmt, sammelt und bewahrt. Das Feuer der menschlichen Begegnung kann auf diese Weise brennen, ohne konfligierend die Anwesenden zu verzehren.

Ein Betrachter des Bildes bleibt jedoch ausgesperrt von der Intimität des Ensembles, da Fye Jassey die komplette Szene auf einem Podest errichtet, dessen Unterkonstruktion den unteren Bildrand einnimmt. Die Menschen sitzen auf Brettern wie denen eines Floßes, befestigt auf Trägern, deren als Vorderstes erkennbare Querschnitte stilisierte, schwarze Männchen in der Pose des Atlas sind. Niemand berührt die Erde, jeder wird getragen von dem Artefakt "Plattform". Jetzt wirken die aus der Baumkrone blickenden Augen traurig, besorgt und bauen ein Spannungsfeld auf zu dem freundlich und fröhlich wirkenden Gesicht der stehenden Europäerin. Stolz und selbst-zufrieden mag die Dame alle Vorteile der neu gewonnenen Bequemlichkeiten erörtern: "Seht ihr? Durch die Bretter habt ihr den Abstand zur Erde und beschmutzt nicht mehr eure Kleidung. Und das Soundsystem spielt euch eure Musik in eurer Lautstärke, ohne ständig mit dem erhobenen Zeigefinger des moralisierend mahnenden Griots zu drohen." Der äußere Spannungsbogen zwischen dem salbungsvollen Antlitz der weißen Verlockung und den sorgenvoll sehnenden Blicken des Baobab verdichtet sich zu dem zentralen Konflikt zwischen selbst-bestimmter Erotik des Torsos und kontemplativer Ästhetik der Wasserträgerin. Eine Veränderung ist mit dem Bantaba passiert, über die der Baobab weint. Die Körper der Versammelten wurden getrennt vom Baum. Die Grenzlinie zwischen der Plattform und dem Affenbrotbaum markiert die rechte Kniekehle des bunten Torsos. Was zuerst als Verbindung der unterschiedlichen Tiefen des Bildes wirkte, kollabiert im Spannungsfeld unkontrollierbar schwieriger Entscheidungen zwischen Mutter Erde und schleichend einziehender Technik. Gewinn und Verlust werden von Fye Jassey im Hut eines dicken Mannes konzentriert, der mit dem Rücken zum Betrachter in die Höhlung des Baobab hinein schreitend sich anschickt, der afrikanischen Mutter einen Vertrag zum Anschluss an die geplante Wasserversorgung zu bringen. Das Schriftstück trägt er zusammengerollt in seiner Linken.

Das Werk erlaubt eine unschätzbare Zahl unterschiedlichster Assoziationen, die im Einzelnen wie auch im Gesamten schier beliebig weit von den genannten abweichen können. Es beschreibt nur ein großes Draußen. Was der jeweilige Rezipient dazu interpretiert und aus sich heraus dazu spiegelt, das liegt einzig in der Verantwortung des Betrachters.

Das kann auch ein Rettungsfloß sein, als welches dieser Bantaba in vielleicht selbst grässlich flacher Umgebung gelegen den virtuellen Baobab als Spender von Kraft, Glück und Verbundenheit herbei zaubert. Aus dieser Perspektive mögen die Versammelten auf dieser Plattform, eingesperrt in eine fremde Zivilisation, ihr traditionelles Gefühl für das heimische Familiengefüge pflegen und damit psychisch das große Draußen aufspannen, das physisch zu erleben ihnen verwehrt ist.

Das blaue Wellenband als Kranz um den Baobab, welches des Baumes Augen und des Torsos Schenkel rahmt, erinnert an die Urkraft des Lebens in der Gestalt des Wassers. Der Affenbrotbaum speichert gigantische Mengen davon und bewahrt sie für die Trockenzeit. Wasser, welches in enormer Anstrengung von der afrikanischen Frau immer wieder aufs Neue zur Familie getragen wird. Das versöhnlich blaue Band verbindet die afrikanische Mutter metaphysisch mit dem Baum, dem Wasser und dem Leben, so dass in ganz zwangloser Weise die Einheit geschaffen wird zwischen Mensch und Natur. In dieser Akzentuierung transportiert die Plattform „Bantaba“ als vordergründiger Titel den Schwerpunkt der Interpretation in den Hintergrund „Wasser, Leben, Güte“.

Fye Jasseys Werk wandelt sich durch die vielen Schichten perspektivisch eigenartig verflochtener Ebenen, Räume und Objekte selbst zum Affenbrotbaum, der den Betrachtern des Bildes während einer Ausstellung den vielleicht grässlich kühlen, funktionalen oder jedenfalls unafrikanischen Ausstellungsraum zum Bantaba erhebt. Zu wünschen ist es dem Künstler allemal, dass viele doch recht gut versteckte Anteile der Kraft seiner Bilder bei möglichst vielen Menschen den Drang zur Symbiose wecken, zur Begegnung, zum Austausch und nicht zuletzt zu dem unbezwingbaren Wunsch, ein solch wundersames Zentrum der Meditation an die eigene Wand zu hängen.